RTVG-Abstimmung: Immerhin wird gestritten!

Ja, der Abstimmungskampf war aus meiner Sicht zum Teil grenzwertig. Und ja, das Resultat fiel knapp aus. Aber sogar ich als SRG-Mitarbeiter kann dem ganzen RTVG-Abstimmungskampf etwas Positives abgewinnen. Nämlich? Wir sind mal wieder Thema!

 

Auch für mich gab es schon ruhigere Zeiten als die Wochen vor dem 14. Juni. Ich durfte und musste die Rolle meines Arbeitgebers noch öfter erklären als sonst üblich und es gab Äusserungen in diesem Abstimmungskampf, die habe auch ich als beleidigend empfunden oder als verleumderisch. Und ja, die eigentliche Abstimmungsfrage ist völlig untergegangen im Streit um die Inhalte und Rolle der SRG. Aber darum soll es hier gar nicht gehen.

 

Denn die ganze RTVG-Debatte hat durchaus auch eine sehr positive Seite. Dass eine Kampagne gegen ein Medien-Unternehmen bzw. ein Medien-System derart emotional geführt werden kann und derart emotional anspricht, das ist für mich auch ein Grund zur Freude.

 

Wie lange haben wir Journalisten, aber auch Medienwissenschafter uns doch immer wieder darüber genervt, dass Medien, Journalismus und Medienkritik in der breiten Öffentlichkeit schlicht und einfach kein Thema sind? Dass sich Gratis-Kultur und Gleichgültigkeit gegenüber Qualitäts-Standards einfach so widerstandslos durchsetzen?

 

Die Diskussionen über die «Lügenpresse» und den «Gebühren-Koloss» SRG sind zwar für uns (öffentlich-rechtliche und andere) Journalisten oft nicht gerade schmeichelhaft, aber sie zeigen exemplarisch: Journalismus hat noch immer das Zeug zum «Aufreger»! Und das beruhigt mich ungemein.


Diese Debatte hat Potential

Diesen Schwung müssen wir nutzen. Die RTVG-Gegner wollen den Service Public sowieso möglichst schnell zum Thema machen. Er wird automatisch zum Thema mit dem bundesrätlichen Medienbericht im nächsten Jahr. Die Zeichen stehen auf Sturm, also setzen wir die Segel! Und mit «wir» meine ich nicht nur meine Kollegen beim gebührenfinanzierten Rundfunk, sondern auch alle anderen Journalismus-Kolleg/innen und die ganze (Fach-)Welt der Medienwissenschaften.

 

Nutzen wir doch diese Gelegenheit und das emotionale Potential dieser Thematik und lancieren eine breite Diskussion über die Bedeutung der Medien in unserem Land, die Chancen und Risiken der aktuellen technologischen Entwicklungen und den Zusammenhang zwischen bezahltem Journalismus und inhaltlicher Qualität!

 

Wenn die Diskussionen etwas sachlicher werden, die Positionen fachlich fundierter und die Argumente etwas differenzierter als gewisse Äusserungen in Online-Leserkommentaren, dann hat diese Debatte durchaus Potential. Vor allem hat sie das Potential, den Menschen in diesem Land zu zeigen, dass Journalismus und Demokratie in einem engen Zusammenhang stehen. Und dass man das Gleichgewicht in diesem System sehr leicht stören kann.

 

Ich hoffe, dass die Debatte nun wirklich eröffnet ist.


Disclaimer:
Der Autor ist als Redaktionsleiter bei SRF tätig und deshalb in keinster Weise unabhängig. Dieser Text gibt einzig und allein die persönliche Meinung des Autors wider und in keiner Art und Weise die Meinung des Unternehmens.

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