Die Schweiz pflegt ihre Dialekte: Hochdeutsch-Unterricht im Kindergarten sorgt für rote Köpfe, das Radiopublikum kämpft für Nachrichtensendungen in Mundart. Umso schlimmer, dass wir am Fernsehen täglich mit schlimmsten Germanismen bedient werden - mit einer absolut künstlichen Mundart. Vor allem im Werbefernsehen.
"Keis Wunder, dass Sie sich vor Fläcke fürchted!". Das sagt kein Mensch in diesem Land. Das deutsche Verb "sich fürchten" heisst auf Schweizerdeutsch doch einfach "Angscht haa", oder?
"Mit herkömmliche Bäse chönnd Sie nie...": Ich kenne keinen Menschen, der das Adjektiv "herkömmlich" auf Mundart benutzt. Wenn schon, dann sprechen wir in diesem Fall von einem "normalen" Besen, oder?
"D Marke Nummer 1 für Schwarzes und Dunkles!". Bringen Sie das jemals so über Ihre Lippen? Wenn schon, dann sprechen wir doch von dunkler Wäsche oder so - aber das substantivierte "Dunkles" gibt's in der Mundart nicht, oder?
Der Beispiele gäbe es noch einige. Fakt ist offenbar: Werbespots aus Deutschland werden in der Schweiz zwar (aus welchen Gründen auch immer) auf Mundart synchronisiert. Dabei klingen die Spots aber auch in unserer Sprache genau so hochdeutsch wie auf den deutschen TV-Kanälen.
Warum diese Germanismen nerven?
Vielleicht bin ich als langjähriger Redaktor in einem in Mundart produzierten Radioformat besonders sensibilisiert. Die Vermeidung von Germanismen war und ist am Redaktionstisch ein Dauerthema. Als Mundart-Moderator fühlt man sich wohl irgendwie auch verpflichtet dazu, eine gewisse Reinheit der Sprache zu bewahren.
Wohl auch deshalb nerve ich mich, wenn mein 8-jähriges Mädchen plötzlich zu mir sagt: "Das isch mini beschti Zeichnig aller Ziite." Diese Formulierung "das Beste aller Zeiten" hat sie aus dem Fernsehen - die sagen das auch in einem der von mir beklagten Werbespots. Und wenn die am Fernsehen das so sagen, dann ist es wohl richtig - denkt sich meine Tochter.
Also: Soll ich ihr jetzt das Fernsehen verbieten? Nein, denn ich will ja, dass meine Tochter einen gepflegten und selbstkritischen Umgang mit Medien lernt. Zu diesem "Lehrplan" gehört natürlich auch die gesunde Abstumpfung gegenüber der im Minutentakt wiederholten Werbeversprechen am Bildschirm.
Aber ich möchte, dass meine Tochter eine normale, verständliche, anständige, gepflegte Mundart spricht. Und deshalb, liebe Werbespot-Vertoner: Gebt Euch doch bitte ein wenig Mühe! Oder spart noch mehr Geld, indem ihr auf die Synchronisation komplett verzichtet und den Werbespot gleich auf hochdeutsch laufen lassst. Das ist immer noch besser, als auf "Schweizer-Mundart-Hochdeutsch".
Übrigens...
Ich weiss, dass man gewisse sprachliche Entwicklungen nicht mehr stoppen kann. Auch das Wort "Heruusforderig" (Herausforderung) gibt es nämlich nicht in unseren Dialekten. Wenn schon, dann heisst es "Useforderig" - aber auch das ist sehr gekünstelt. Aber: Ich hab's eingesehen, dieses Unwort hat sich irgendwie eingebürgert in unserer Sprache. Und ich korrigiere es auch nicht (mehr), wenn es auf unserem Radiosender zu hören ist.
Also: Ich bin gar nicht stur, engstirnig, puristisch, wie es nach diesem Artikel vielleicht scheint...
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Marco Jaggi (Sonntag, 29 Januar 2012 00:49)
Vilich tuets Di tröschte: Du bisch nid elei...! Es isch krass, wie sich d'Mundart i nume eire Generation tuet verändere. Gseh's bi de eigete Ching.
Daniela (Freitag, 14 Juni 2024 17:56)
Ich bin dankbar für jeden Schweizer und natürlich für jede Schweizerin....;) die noch richtig richtig ur-schweizerdeutsch spricht! Ich betreue seit 10 Jahren Kinder und ich rede absichtlich richtiges schweizerdeutsch
Mich stören genau so Wörter wie: becho statt öbercho, Herusforderig statt Useforderig...etc etc, wie oben erwähnt
Seit die Kinder klein sind sage ich zB nach dem Essen: du hesches Möisi
Sie sind die einzigen Kinder, die das verstehen. Das merke ich jeweils an den fragenden Augen ihrer Gspändli.
Genau so wie:
<Gömmer öpis go tönterle>
<Tüemer echli plägere>
Und aus: <Dasch doch gliich> ist <esch egal>
geworden
Etc!
Schade!
Grossen Dank an jeden, der zu unserem Schweizerdeutsch Sorge trägt!