Das Mass aller Dinge bei Pressemitteilungen?

Es ist die wohl kostengünstigste Methode der (Medien-)Kommunikation: Pressemitteilungen versenden. Vielleicht auch deshalb landen täglich Hunderte von Mitteilungen in den Postfächern der Redaktionen. Und vielleicht auch deshalb wird dieses Mittel der Kommunikation (zu) oft überstrapaziert. Das Mass aller Dinge beim Versand von Medienmitteilungen ist aber aus meiner Sicht wie so oft: Ein Mittelmass.

 

Als Journalist spitzt man zu, kreiert Thesen. Das ist auch in diesem Artikel so. Und doch sollten PR-Agenturen und Mediensprecher diesen Artikel nicht einfach ungelesen links liegen lassen. Denn ich schreibe aus einer persönlichen Erfahrung heraus, hochmotiviert durch eigene Erlebnisse. Und damit durchaus authentisch, ernsthaft, mit guten Absichten.

 

Aber kommen wir zur Sache: Täglich landen im Posteingang auch meiner Redaktion Dutzende oder Hunderte von Medienmitteilungen. Das ist auch richtig so: Denn oft sind diese Mitteilungen das sprichwörtliche Futter, das man dem "Krokodil" Journalist zum Frass vorwerfen soll. (Zitat von William Perry, ehem. US-Verteidigungsminister: "Mit Journalisten ist es wie mit Krokodilen, man muss sie nicht lieben, aber füttern.")

 

Journalisten sind strenge Filter

Das Problem ist nur: Journalisten können unmöglich alle eingehenden Pressemitteilungen verwerten. Es kommen schlicht zu viele. Die Zeitungen wären so dick wie Bücher, Radiosender würden über 24 Stunden nonstop Nachrichten senden, wenn alle Medienmitteilungen in den Redaktionen zu redaktionellen Inhalten würden.

 

Eine Studie aus Aachen von 2006 belegt: Der grösste Teil der eingehenden Pressemitteilungen landet im "Rundordner" - im (virtuellen oder echten) Papierkorb. Das können auch geschickte Mediensprecher und PR-Leute nicht vollständig verhindern. Denn natürlich gibt es Mitteilungen, die schlicht und ergreifend journalistische Relevanz-Kriterien nicht erfüllen. Aber: Man kann sich als PR-Agentur oder Medienstelle auch grobfahrlässig ins Abseits oder wortwörtlich in den Papierkorb schleudern.

 

Pressemitteilungen Studie Aachen Journalismus Statistik Papierkorb
Studie aus Aachen 2006: Nur ein Bruchteil der Pressemitteilungen werden tatsächlich für die redaktionelle Arbeit verwendet, sagen die befragten Journalisten.

 

Einige Fehler, die immer wieder passieren und ganz einfach vermieden werden könnten:

  • Die Pressemitteilung richtet sich an die falschen Adressaten (lokale Ereignisse werden an nationale Medienhäuser verschickt, Fachinformationen an allgemeine Newsredaktionen etc.)
  • Die Pressemitteilung entspricht nicht den journalistischen Relevanzkriterien; ein solches Kriterium ist z.B. die Aktualität: Ein Bericht von einer Vereinsversammlung am Montag der vergangenen Woche interessiert eine News-Redaktion bei einem Radiosender nun wirklich nicht (mehr)!
  • Die Pressemitteilung entspricht inhaltlich nicht den gängigen journalistischen Kriterien: Ein solches Kriterium ist die Verständlichkeit. Sie glauben gar nicht, wie viele völlig unverständliche Mitteilungen eine Redaktion zu bearbeiten hat. Unter Zeitdruck gibt es für unverständliche Mitteilungen (mit Ausnahme von absolut zentralen AAAA-Themen) nur eine praktikable Verwendungsmöglichkeit: Weg damit...

Das sind nur ein paar wenige Argumente, die gegen die Verwendung einer Pressemitteilung im Redaktionsalltag sprechen. Diese Fehler zu vermeiden, das kann man lernen... zum Beispiel mit einem gezielten Medientraining für die eigene Kommunikationsabteilung.

 

Aber jetzt kommen wir zu einem Killer-Argument, das nicht auf einer fachlich-sachlichen Ebene zu suchen ist. Einem Killer-Argument gegen die Verwendung von Medien-Einsendungen, das sich praktisch nur auf der emotionalen Ebene im Journalisten-Bauch abspielt.

 

Flut-Alarm in Redaktionen

Es gibt Pressestellen, die offensichtlich das Medium "Pressemitteilung" überstrapazieren. Wenn eine Medienstelle oder PR-Agentur zum Beispiel wöchentlich über Veranstaltungen berichtet, wenn möglich mehrmals zu derselben Veranstaltung, dann reagieren Journalisten instinktiv. Sie fühlen sich "bombardiert", sie fühlen sich "zugemüllt", sie reagieren mit einem natürlich Reflex in solchen Situationen: Mit einer Abwehr-Reaktion.

 

Medienmitteilung Museum Aargau Journalismus
Medienmitteilungen auf der Website des Museums Aargau. Wöchentlich eine Mitteilung: Ist das ein gesundes Mittelmass?

 

Ein Beispiel: Das Museum Aargau informiert uns Medienstellen regelmässig über neue Ausstellungen und andere Aktivitäten. Das Museum Aargau (Betreiberin der Schlösser Lenzburg, Hallwil, Wildegg) macht innovative Ausstellungen, präsentiert lebendige Geschichte - kurz: Ich bin ein Fan dieses Angebots.

 

Nur: Allein im April haben wir mehr als vier Medienmitteilungen dieser Organisation erhalten. Mehrmals betrafen diese Medienmitteilung das Jahresthema "Frauen". Ein Jahresthema, das alle regionalen Medien wohlgemerkt bereits anlässlich einer Medienkonferenz breit vorgestellt hatten. Dass nun noch jede einzelne Vernissage auf jedem einzelnen Schloss mit einer Medienmitteilung garniert wird, das stösst einigen Journalisten sauer auf. "Schon wieder eine Mitteilung vom Museum Aargau", hört man in der Redaktion... und der spöttische Ausruf wird begleitet von der unvermeidlichen Handbewegung in Richtung "Delete"-Taste.

 

Problematisch an dieser Reaktion ist natürlich, dass auf diese Art und Weise auch eine durchaus wichtige Medienmitteilung im Papierkorb landen kann. Nur, weil der diensthabende Redaktor nach der vierten Medienmitteilung aus gleichem Haus einfach "keinen Bock" mehr hat darauf.

 

Will heissen: Die entsprechende Medienstelle oder PR-Agentur verschickt unter Umständen vergeblich eine wichtige Mitteilung. Oder aber eine journalistisch relevante Information wird nicht gesehen, einfach, weil der natürliche Abwehr-Reflex spielt.

 

Die Gretchen-Frage

"Was schlagen Sie denn vor, Herr Velati?" wird sich der eine oder andere PR-Mensch nun fragen. "Wir haben halt viele wichtige News, was sollen wir denn Ihrer Meinung nach tun?"

 

Das Rezept ist (aus meiner Sicht) einfach: Wenn eine Veranstaltung geplant wird, dann gehört die strategische Planung der Kommunikation dazu. Das heisst auch: Die Organisation muss entscheiden, zu welchem Zeitpunkt in welcher Form informiert wird. Gibt es eine grosse Medienkonferenz zu Beginn der Veranstaltungsreihe? Wenn ja, dann braucht es einzelne Mitteilungen zu einzelnen folgenden Vernissagen wohl nicht mehr. Vor allem dann nicht, wenn alle relevanten Medien bei der Medienkonferenz anwesend waren und darüber berichtet haben.

 

Grundsätzlich aber ist es noch viel einfacher: Man stelle sich doch schlicht und ergreifend vor jedem Medienmitteilungsversand die Gretchen-Frage: "Interessiert das die ausgewählten Medien wirklich?". Wenn die Antwort nach eingehender Prüfung immer noch "ja" lautet, dann ab aufs Mail mit der Medienmitteilung! In vielen Fällen aber wird die Antwort nach einer ehrlichen Prüfung "Nein" lauten. Und dann darf man sich die Arbeit getrost sparen...

 

Wer das jetzt nicht versteht, dem sei - einmal mehr - dringend geraten, sich weiterbilden zu lassen (ja, wir bieten das an :-)). Oder ganz einfach: Einen Redaktionsbesuch zu machen.

 

Denn es gilt: Wer mit Journalisten erfolgreich arbeiten will - der muss die Arbeitsweise der Journalisten verstehen. Und zu dieser Arbeitsweise gehört auch der kaum steuerbare "Abwehr-Reflex" bei Überflutung...

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Kommentare: 4
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