Gekaufte Journalisten: Keine Heuchelei, aber Selbstkritik

Nati-Trainer Hitzfeld arbeitet für den Ringier-Verlag, Journalisten erhalten in Zürich Bargeld für Ihr Erscheinen an einer Medienkonferenz. Diese Schlagzeilen haben zu heftigen Diskussionen über journalistische Unabhängigkeit und Ethik geführt. Natürlich ist das zum Teil pure Heuchelei - aber es zeigt, dass Journalisten vor allem eines haben müssen: Die Fähigkeit zur Selbstreflexion.

 

Natürlich, dass der Ringier-Verlag den wichtigsten Sport-Funktionär des Landes unter Vertrag nimmt, das hat Potential für die wildesten Verschwörungstheorien. Und wahrscheinlich ist es gar nicht unwahr, wenn die Südostschweiz titelt, Ringier habe den Journalismus aufgegeben. Ringier sei heute eine Art Event-Agentur, die auch noch ein paar Medientitel zur Kommunikation nutze.

 

Geld spielt eine Rolle. Medienhäuser kämpfen um ihre Zahlen, müssen schwindende Inserate-Einnahmen irgendwie kompensieren. Und greifen dann auch mal zu mehr oder weniger fragwürdigen Methoden, jedenfalls aus journalistischer und ethischer Sicht.

 

Dass Verleger nicht immer buchstabengetreu den Weisungen der Verhaltenskodices von Journalistenverbänden folgen, das ist aus journalistischer Sicht ja verkraftbar. Nach dem Motto "das war ja nicht anders zu erwarten". Dass sich aber Journalisten an Medienkonferenzen Briefumschläge mit grossen Bargeldbeträgen überreichen lassen - und dabei offenbar kein schlechtes Gewissen haben - das irritiert dann doch auf breiter Front.

 

Der eine oder andere Politberichterstatter wird nun monieren, es handle sich bei den Sündern "nur" um Reisejournalisten. Deren Artikel sind weder staatspolitisch relevant noch gefährden sie mit allfälliger einseitiger Berichterstattung die Grundfesten der Demokratie. Trotzdem: Es ist natürlich fragwürdig, wenn sich ein Journalist von einer PR-Agentur bezahlen lässt. Und zwar grundsätzlich.

 

Denn der Journalist macht sich mit diesem Verhalten selber überflüssig. Einen Gefälligkeitsartikel können auch angestellte Schreiberlinge der PR-Agentur verfassen - die Zeitungen müssten ihn dann nur noch platzieren. Das wird heute schon - gerade bei Lokalzeitungen - immer wieder praktiziert. Aus finanzieller und zeitlicher Not natürlich.

 

Und damit wären wir jetzt auch bei der Einschränkung dieser Standpauke. Denn: Natürlich ist die unabhängige journalistische Leistung nicht in jedem Fall zwingend notwendig. Ein Ausgehtipp in der Lokalzeitung kann auch mal direkt vom Veranstalter kommen. Inhaltlich ändert sich nämlich nichts, wenn ein Journalist den Werbetext noch umformuliert (obwohl er selber überhaupt keine Ahnung hat vom präsentierten Theaterstück zum Beispiel).

 

Und: Natürlich haben wir Journalisten alle es schon erlebt, dass wir - sagen wir es mal vorsichtig - "bevorzugt" behandelt wurden. Seien es kleine Präsente (wie die eine oder andere Flasche Rotwein) nach der Medienkonferenz, sei es ein vergünstigter Flug nach irgendwo (um eine Reiseroute aus der Nähe erleben zu können), seien es nur Gratis-Tickets an ein Konzert (von dem wir dann natürlich dummerweise doch nicht berichten konnten).

 

Was heisst das nun? Übertriebene "Ich könnte das niemals tun"-Heuchelei oder die apokalyptische Prophezeiung des untergehenden Journalismus sind wohl fehl am Platz. Aber: Journalisten, die sich über ihre ethisch verwerflich handelnden Kollegen ärgern, sollten sich selber - ständig - kritisch überprüfen.

 

Wenn alle diese - zum Teil wohl auch zusätzlich skandalisierten - Geschichten etwas bringen, dann die Erkenntnis, dass unabhängige Journalisten vor allem eines brauchen: Eine ausgeprägte Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion. Gute Journalisten sollten...

  • das eigene Handeln ständig prüfen ("soll ich wirklich von einem "abwechslungsreichen Abend" schreiben, obwohl ich das Stück ätzend langeweilig fand?")
  • die eigene Unabhängigkeit ständig hinterfragen ("weshalb bin ich nun schon wieder per Du mit Politiker xy?")
  • sich die eigenen Abhängigkeiten immer vor Augen halten ("ja, ich finde Politikerin xy sympathisch und ich vertrete eigentlich auch ihre Ansichten - aber jetzt geht's um Korruptionsvorwürfe gegen sie...")

Hätten alle Journalisten diese Fähigkeiten bzw. würden diese konsequent anwenden, dann hätte es keine Briefumschläge mit Bargeld gegeben in Zürich, davon bin ich überzeugt.

Hitzfeld würde aber trotzdem beim Blick arbeiten. Und die Lokalzeitungen werden wohl auch weiterhin "redaktionelle" Beiträge verkaufen. Denn das hat nichts mit Ethik zu tun, sondern mit finanziellem Überleben.

 

 

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