Das falsche Schlachtfeld

Private Verleger und SRG kämpfen um Freiheit und Grenzen im Internet. Da diskutiert man zum Beispiel eine maximale Zeichenzahl für Online-Artikel (mit oder ohne Leerschläge). Tatsächlich bietet die anstehende Konzessionsänderung der SRG eine gute Gelegenheit für wichtige Diskussionen. Die Kriegsrhetorik erscheint mir übertrieben, vor allem aber wird aus meiner Sicht (um bei dieser Rhetorik zu bleiben) auf dem falschen Schlachtfeld gekämpft.

 

Die Diskussionen zwischen SRG und privaten Verlegern sind ja nicht neu, aber durchaus berechtigt: Es geht um das liebe Geld und damit unter Umständen um die Existenz von Medienhäusern und Verlagen. Damit geht's auch um die Existenz von Arbeitsplätzen. Und um die Frage von journalistischer Qualität und Meinungsvielfalt. Oh ja, die Sache ist also durchaus ernst.

 

Der ernste Hintergrund

Der Hintergrund ist auch klar: Die Mediennutzung ändert sich. Printmedien verlieren Auflage, TV-Sender verlieren Quote, das Publikum wandert ab ins Internet. Damit wandern dann auch die Werbekunden ab. Die SRG rechnet mit weniger Einnahmen bei der TV-Werbung, die Verleger rechnen mit weniger Einnahmen bei Print-Inseraten.

 

Das Internet funktioniert (noch) nicht als Geldmaschine: Werbeeinnahmen sind noch zu gering (auch die Werbekunden müssen sich wohl noch an die neue Mediennutzung gewöhnen) oder verboten (im Fall der SRG) und die Userinnen sind sich bisher vor allem Gratis-Inhalte gewohnt. Ob sie für Inhalte bezahlen, das zeigen erst die nun beginnenden Paywall-Versuche einiger Verlage.

 

Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass private Verleger gereizt auf die neue konvergente Website von SRF reagieren. Sie sehen darin in erster Linie eine (für den User vorab kostenlose) Konkurrenz. Verleger-Präsident Lebrument erklärt der SRG deshalb den Krieg. Und dieser Kampf wird nun eben zum Beispiel auf dem Schlachtfeld der Zeichenbegrenzung geführt.

 

Mediennutzung Radio TV Internet Publisuisse Studie
Mediennutzungsstudie 2012 (Publisuisse).

Die wichtige Diskussion

Perspektivenwechsel: Vom Verleger/Generaldirektor zum Publikum/Gebührenzahler. Was interessiert uns? Die Leser-Kommentare unter dem entsprechenden Artikel bei dieser Online-Zeitung sprechen eine deutliche Sprache: Man ist entweder für oder gegen die SRG.

 

Genau diese grundsätzliche Frage muss diskutiert werden: Braucht es eine Art öffentlich-rechtliches Medium in der Schweiz? Und wenn ja, welche Aufgaben hat dieses Unternehmen?

 

  • Diskussionsvariante 1: Die Konzession bleibt wie heute bestehen. Die SRG produziert Radio- und TV-Programme und erhält dafür ähnlich viel Geld wie heute. Das Resultat wäre, dass die SRG durch sinkende Werbeeinnahmen immer weniger Geld zur Verfügung hat und die Programmqualität wohl abnehmen würde. Parallel dazu würde aber (so oder so und durch abnehmende Qualität noch verstärkt) das Publikum langsam abwandern oder «wegsterben». Kurz: Früher oder später bezahlen wir dann Gebühren für Medieninhalte, die niemand mehr sehen oder hören will. De facto kann man die SRG in ein paar Jahren dann abschaffen. Dannzumal nicht mehr aus politischen Gründen, sondern weil sie schlicht kein Publikum mehr erreicht.

 

  • Diskussionsvariante 2: Die Konzession wird mit mehr Freiheiten im Online-Bereich ergänzt. Damit setzen die Behörden die privaten Verleger unter Druck. In finanzieller Hinsicht müssten jetzt konstruktive Lösungen gefunden werden: Sollen alle Schweizer Medien gemeinsam eine Paywall für gewisse Inhalte entwickeln? Sollen die privaten Verlage mehr in Online-Werbung investieren (können, dürfen) und die SRG muss dafür werbefrei bleiben? Eine Lösung müsste auf den Tisch, klar. Aus publizistischer Sicht aber wäre diese Variante natürlich vorzuziehen: Eine echte Konkurrenzsituation auch im Web wäre nämlich die Folge. Und dass Konkurrenz die journalistische Qualität zumindest eher fördert als behindert, das ist nun wirklich eine allgemein anerkannte Binsenwahrheit.

 

  • Diskussionsvariante 3: Die SRG-Konzession wird generell überprüft auf ihre inhaltliche Ausrichtung. Das Aufgabenportfolio der SRG ist heute breit gefächert. Der Wunschkatalog ist so vielfältig wie das Publikum. Auch mir wäre mehr politische Satire und weniger Quizshow im TV-Programm lieber. Die Frage ist: Was soll die SRG produzieren (müssen und/oder dürfen)? Das ist eine vielschichtige Frage und ergäbe eine aufwändige Diskussion, zugegeben. Aber sie wäre wohl massiv zielgerichteter als ein Krieg über Zeichenbeschränkungen.

 

Es gäbe sicherlich noch viele weitere Diskussionsvarianten - die obige Auswahl soll nur zeigen: Es geht um Grundsatzfragen, die geklärt werden müssten.

 

Die persönliche Meinung

Meine Meinung ist natürlich klar: Aus meiner Sicht macht die aktuelle Medienrevolution eine Art öffentlich-rechtliches Angebot sogar zwingend. Wenn private Verlage aus finanziellen Überlegungen fusionieren und fokussieren, wenn Printtitel verschwinden und Online-Titel noch auf der Suche sind nach einer publizistischen Linie, dann ist ein Grundangebot an qualitativ hochwertiger Information auf allen Vektoren aus meiner Sicht zwingend.

 

Ohne SRG-Angebote würden einzelne Regionen der Schweiz zu einer publizistischen Einöde verkommen. Im Kanton Aargau würde ein einziger Verlag den Printmarkt, den Radiomarkt, den regionalen TV-Markt und den regionalen Onlinemarkt beherrschen. Natürlich gibt es innerhalb dieses Konzerns, zwischen den verschiedenen Redaktionen, (noch) eine gewisse Konkurrenz. Aber der aktuelle Trend geht (auch bei der SRG) eindeutig hin zu mehr Zusammenarbeit, zumindest zu konvergenter Themenplanung. Über kurz oder lang ist damit die journalistische Vielfalt - und damit die Meinungsvielfalt - gefährdet.

 

Dass zwei (hochwertige) Online-Portale in dieser Region parallel und gewinnbringend betrieben werden können, das kann ich mir (noch) nicht vorstellen. Wer eine (der Qualität zuträgliche) journalistische Konkurrenz wünscht, der muss also der SRG in so einer Region auch Online-Aktivitäten erlauben. Meine ich. Aber eben: Genau diese Diskussion sollte man grundsätzlich führen.

 

Collage Medienberichte zum Krieg der Verleger gegen die SRG
Die Kriegsrhetorik wurde (auch in Deutschland) von vielen Medien aufgenommen. Zum Teil auch kritisch (zum Glück)...

Das Grundübel

Die aktuelle Debatte um Online-Inhalte der SRG erinnert mich stark an die aktuellen Debatten zur Armee. Auch da wird über spezifische Einzelheiten debattiert: Wehrpflicht, Budget-Plafonds, Flugzeugtypen. Die wichtigste Frage aber ist und bleibt ungeklärt, weil nicht diskutiert: Welcher Auftrag soll denn bitte schön unsere Armee überhaupt erhalten? Ohne einen abschliessenden Grundsatzentscheid zu dieser Frage sind eigentlich alle aktuell geführten Debatten obsolet.

 

Ich weiss nicht, woran es liegt. Die einzige Erklärung aus meiner Sicht ist die Komplexität einer solchen Grundsatzdebatte. Man scheut sich offenbar, grundsätzliche Fragen zu klären, weil die Debatte über Einzelfragen schlicht einfacher ist. Wer will schon einen Krieg führen zur Frage, welche Aufgaben eine SRG oder eine Armee genau zu erfüllen hat? Ist doch viel populärer, über Wehrpflicht oder die Höhe von Gebührenrechnungen zu streiten.

 

Das Fazit

Unglücklicherweise führen diese Debatten zu keinen nachhaltigen Lösungen. Der nächste Krieg ist damit programmiert. Das Schlachtfeld sind dann vielleicht nicht mehr Zeichenbeschränkungen, sondern Höchstmasse für Werbebanner. Oder so. Schade.

 

Ich versuche es noch anders zu erklären: Viele Herrscher haben im Lauf der Weltgeschichte versucht, Revolutionen mit dem Einsatz von Gewalt zu unterdrücken. Wie viele Revolutionen aber wurden durch Krieg wirklich aufgehalten? Die digitale Revolution wird durch einen Krieg zwischen Verleger und SRG sicher nicht beendet. Man muss also lernen, mit den Auswirkungen dieser Revolution zu leben. Und dafür wären konstruktive und zielführende Debatten sicher besser geeignet als Schlachten um Leerschläge.

 

Der Disclaimer

Der Autor dieses Artikels ist (wie beinahe alle Autoren, die über solche Themen schreiben) selbstverständlich befangen. Er arbeitet als Angestellter bei Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Er produziert in der im Artikel erwähnten Region Radio-Inhalte, aber auch Online-Inhalte (im Rahmen der aktuellen Konzession).

Auch in der Armee-Diskussion ist er als Miliz-Fachoffizier (Kommando MIKA) selbstverständlich befangen.

 

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Kommentare: 5
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