30 Jahre Regionaljournal - eine Lobhudelei

Das Regionalstudio von Radio SRF (Regionaljournal) in Aarau.
Blick ins Regionalstudio (Maurice Velati)

2014 feiert das Regionaljournal Aargau Solothurn von Radio SRF den 30. Geburtstag seiner täglichen Sendungen. Grund genug für mich, diesem Sendegefäss und seiner Redaktion (zu der ich ja selber dazu gehöre) ein völlig unkritisches Plädoyer zu widmen. Eine reine Lobhudelei zwar, aber trotzdem völlig ernst gemeint.

 

Immer wieder werden einzelne «öffentlich-rechtliche» Sendungen kritisiert oder sogar in Frage gestellt. Die Kollegen der Unterhaltungsabteilung von SRF hören solche Kritik sicherlich öfter als wir in den Regionalredaktionen. Aber auch unsere Sendeplätze, Inhalte und vor allem die dazu notwendigen Mittel stehen immer wieder unter Beschuss. Deshalb sei an dieser Stelle für einmal so richtig Werbung gemacht. Werbung für eine Sendung, deren Entstehen ich 1984 noch überhaupt nicht erlebt habe... weil ich erst 1980 geboren wurde. Eine Sendung, die ich seit zehn Jahren mitgestalte und die trotz meines beinahe jugendlichen Alters für mich zu einer richtigen (Hör-)Heimat geworden ist.

 

Das Regionaljournal auf SRF1. Immer am Vormittag um 06.30, 07.30 und 08.30, am Mittag um 12.03 und am Abend ausführlich im Magazin um 17.30 Uhr. Ich schreibe vor allem über das jubilierende Regionaljournal Aargau Solothurn - viele Argumente gelten aber auch für alle anderen Regionalredaktionen von SRF.

 

On Air-Lampe im Regionalstudio von Radio SRF in Aarau
Seit bald 30 Jahren auf Sendung: Das Regionaljournal Aargau Solothurn. (Maurice Velati)

Die andere Stimme Vol. I

Auch Privatsender machen regionale Information. Und die beiden direkten Konkurrenten in den Kantonen Aargau (Radio Argovia) und Solothurn (Radio 32) machen das wirklich gut. Auch im Vergleich mit anderen privaten Nachrichtenredaktionen. Die Informationssendungen sind regional ausgerichtet, recherchiert, inhaltlich fundiert und werden von zahlenmässig relativ gut dotierten Redaktionen produziert.

Und doch bietet das Regionaljournal nicht einfach «more of the same», sondern setzt Kontrapunkte.

 

Formal: Privatradios setzen vor allem auf Kurzbeiträge und Nachrichten. Diese gibt es auch im Regionaljournal. Dazu aber wird auch die Form der Reportage weiterhin gepflegt, es gibt vertiefende Akzentbeiträge von bis zu 8 Minuten Länge... Themen können mit Reportagen vor Ort ganz anders erlebbar gemacht werden.

Das Regionaljournal sendet aber auch Gespräche und Diskussionen von bis zu 15 Minuten Länge. In solchen Formaten können einzelne Aspekte eines Themas auch etwas eingehender beleuchtet werden.

Solche Formen zu regionalen Themen finden sich bei der privaten Konkurrenz kaum oder gar nicht.

 

Thematisch: Durch die strengen publizistischen Vorgaben von SRF muss die Regionalredaktion ihre Themen streng gewichten. Zuerst kommt Politik, dann Wirtschaft, dann Kultur und Sport. Unfälle und Verbrechen werden natürlich (mit intern klar definierten Kriterien) auch gemeldet, sie stehen aber weit weniger stark im Fokus als bei der privaten Konkurrenz. Das Regionaljournal erfüllt damit einen klaren politischen Auftrag: Es berichtet ausführlich(er) und eingehend(er) über politische Entscheidungen. Das heisst zum Beispiel: Die Regionalredaktion ist immer an den Sitzungen der Kantonsparlamente dabei - und sie berichtet auch über auf den ersten Blick nicht sehr spannende Themen aus den Räten. Weil es eben zum Auftrag gehört.

 

Auch in dieser Hinsicht bietet das Regionaljournal gegenüber den Privatradios also eine wichtige Ergänzung. Ich kenne deshalb durchaus (jüngere) Leute, die tagsüber unsere private Konkurrenz hören, um 17.30 Uhr am Abend dann aber auf SRF1 umschalten... um sich noch ausführlicher über regionale Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu informieren.

 

Blick in die Moderatorenkabine von Radio SRF in Aarau: Hier wird das Regionaljournal Aargau Solothurn gesendet.
Die «andere Stimme» der Region: Redaktor und Moderator Bähram Alagheband im SRF-Studio Aarau. (Maurice Velati)

Die andere Stimme Vol. II

Gerade im Mittelland ist die Medienkonzentration in den letzten Jahren massiv fortgeschritten. De facto gibt es nur noch ein einziges Medienunternehmen, das alle wichtigen Produkte (Print, Radio, TV, Online) von Bern bis nach Zürich herausgibt: Die AZ Medien von Verleger Peter Wanner. Natürlich haben noch einige wenige Lokalzeitungen überlebt (im Fricktal oder im Freiamt zum Beispiel), aber das Gros der publizistischen Leistungen in unserer Region kommt aus einem einzigen Haus.

 

Natürlich bedeutet das nicht zwangsläufig, dass alle Inhalte gleichgeschaltet sind: Die Konvergenz funktioniert innerhalb der AZ Medien wohl ähnlich gut oder schlecht wie bei SRF. Die Redaktionen wachsen zusammen, sind aber noch nicht wirklich eine einzige Redaktion. Die interne Konkurrenz lässt vielleicht nach, verschwindet aber nicht usw.

 

Und trotzdem: Wenn Verleger Peter Wanner seine (Medien-)Macht missbrauchen möchte, dann könnte er das. Wenn er eine (politische) Meinung durchdrücken wollte, dann müsste er dafür nur alle seine Redaktionen einspannen - und es würde gelingen.

Nur ein einziges Medium hätte bezüglich Reichweite überhaupt den Hauch einer Chance, gegen einen solchen Machtmissbrauch anzukämpfen: Das Regionaljournal von Radio SRF.

 

Im «Wanner-Land» ist die Regionalredaktion von SRF also auch eine Art Versicherung.

 

Die andere Stimme Vol. III

Selbst wenn Peter Wanner und sein Medienimperium die propagierte «Forumsfunktion» wahrnehmen und allen eine Stimme bieten: Das Regionaljournal von Radio SRF ist und bleibt ein letzter Rest von Konkurrenz. Und Konkurrenz beflügelt bekanntlich.

 

Das gilt auch bei und für Journalisten: Einen kleinen Kampf um die heissesten regionalen Geschichten liefern sich Radio, TV und Zeitungen auch heute noch... auch wenn viele Titel verschwunden sind und der Kampf (zum Beispiel auf dem Platz Solothurn) spürbar weniger hart geworden ist (nicht nur zum Vorteil der Medienprodukte).

 

Falls die interne Konkurrenz bei den AZ Medien dereints überhaupt nicht mehr spielen sollte, dann bleibt wenigstens die Konkurrenz der «öffentlich-rechtlichen» Regionalredaktion. Und diese Konkurrenz ist dringend nötig, damit sich Journalisten mit dem notwendigen Elan hinter die regionalen Geschichten machen. Journalismus ist ja schliesslich nicht nur ein Job, sondern auch eine Aufgabe. Diese Aufgabe benötigt Energie und Wille, und die (noch) bestehende Konkurrenz kann diesen Willen anstacheln.

 

Das Regionaljournal ist also auch eine andere Stimme, weil es einfach überhaupt eine andere Stimme ist... und damit den (regionalen Informations- und Recherche-)Markt spürbar belebt.

 

Die andere Stimme Vol. IV

Radiohörer sterben aus... das spüren Privatradios und natürlich auch SRF1 mit den Regionaljournalen. Auch wenn es natürlich (und hoffentlich) noch etwas dauert, bis wir keine Radioprogramme mehr senden können, weil es niemanden mehr interessiert... die Alternativen dazu entstehen bereits.

 

Auch die Regionalredaktionen von SRF bringen ihre News inzwischen online zu Kundinnen und Kunden. Und auch in diesem Online-Informationsmarkt ist diese zweite Stimme bitter nötig: Regionale Informationen sind online heute (noch) kaum verfügbar. Qualitativ ansprechende Informationen (inklusive Recherche-Geschichten) findet man generell vor allem auf den Websites der grossen nationalen Verlagshäuser. Klar: Der regionale Markt ist klein und damit wohl (vorerst) wirtschaftlich eher unbedeutend.

 

Ich bin aber überzeugt, dass regionale Information auch in Zukunft vom Publikum verlangt wird. Deshalb müssen auch jüngere Medienkonsumenten mit regionalen News versorgt werden - und das funktioniert nur online. Damit diese regionalen Online-News qualitativ vertretbar aufbereitet werden, braucht es Anreize. Und die Konkurrenz (vgl. oben) kann ein Anreiz dafür sein.

 

Screenshot srf.ch mit der Rubrik Regional und "Aargau Solothurn": Website der Regionalredaktion von Radio SRF.
Das Informationsangebot der Regionalredaktion im Internet. (Maurice Velati)

Und die Kritik?

So viel Lobhudelei für das eigene Produkt: Da stellt sich die (berechtigte) Frage, ob es denn überhaupt keinen negativen Punkt gibt? Natürlich gibt es ihn: Auch wir Regionalredaktionen brauchen Gebührengelder und fallen damit dem SRG-Gebührenzahler zur Last.

 

Aber erstens arbeiten die Regionalredaktionen überaus effizient: Ein ehemaliger Privatradio-Redaktor erzählte mir kürzlich, dass er als Reporter beim Regionaljournal viel mehr unter Druck stehe als vorher beim Privatradio. Der Produktionsdruck in den kleinen regionalen SRF-Teams ist enorm: Die gesamte regionale News-Seite wird zum Beispiel von einer einzigen Person produziert!

 

Zweitens gehe ich davon aus, dass mit obigen Ausführungen klar geworden ist, weshalb sich diese Gebühren für die Regionaljournale lohnen. Sie garantieren ein bisschen Medienvielfalt, eine inhaltliche und formale Bereicherung, eine zweite Stimme in der Region.

 

Insofern glaube ich, dass die Gebührengelder in den Regionalredaktionen gut investiert sind. Und ich hoffe, dass wir es Ihnen wert sind.

 


Disclaimer:
Maurice Velati ist stv. Leiter der Regionalredaktion Aargau Solothurn von Radio SRF. Dieser Blog-Beitrag widergibt seine persönliche (private) Meinung und nicht die offizielle Haltung von SRF.


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Kommentare: 4
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