Ich bin auch ein Bauer

Journalismus und Landwirtschaft haben etwas gemeinsam: Der Schweizer Markt ist zu klein. (Kühe auf der Weide im Napf-Gebiet)
(c) Maurice Velati

Natürlich bezahlt keiner gerne Steuern und Gebühren. Natürlich argumentieren die Gegner öffentlicher Medienangebote, dass man nur das bezahlen soll, was man auch konsumieren will. Klingt logisch, macht auf den ersten Blick Sinn.

Natürlich kann man also Journalismus einfach dem freien Markt überlassen. Das funktioniert dann aber in etwa so gut wie  bei der Landwirtschaft. Es würde alles verändern.

Ein Plädoyer für einen fairen Umgang mit dem Begriff «Zwangsgebühren».

 

«Zwangsgebühren» seien es, die Gebühren für audiovisuelle Medienangebote in der Schweiz. So sagen es die Gegner der SRG bzw. der öffentlichen Medien. Sie wehren sich gegen Gebühren, die alle Bürgerinnen und Bürger entrichten müssen, ohne dass alle dann auch alle damit finanzierten Medienangebote nutzen.

 


Randbemerkung:

Erstaunlich viele Menschen erklären in Kommentarspalten (und zum Teil auch in persönlichen Gesprächen), sie würden nie oder kaum je Inhalte von SRF nutzen. Das ist mit den zum Teil doch sehr beachtlichen Einschaltquoten bei Radio und TV SRF in der Deutschschweiz nicht wirklich vereinbar.

Beispiel: Ein Drittel aller Radiohörer/innen in der deutschen Schweiz hören SRF1.

Hörerzahlen Radio SRF
Die Hörerzahlen von Radio SRF (Printscreen Medienmitteilung)
Download
Medienmitteilung SRF Halbjahresbilanz 2017
Die Publikumszahlen von Radio, TV und Online für die Monate Januar bis Juni 2017 (Quelle: srf.ch)
SRF-Halbjahresbilanz-2017.pdf
Adobe Acrobat Dokument 272.7 KB


 

Diese Argumentation ist auch aus meiner Sicht durchaus schlüssig. Wenn man bedingungslos an die uneingeschränkt freie Marktwirtschaft glaubt. Ohne Mediengebühr gilt: Der Konsument bzw. Kunde und private Unternehmer als Anbieter entscheiden über die journalistische Produktion im Land. Die Folge: Was nicht rentiert, gibt es nicht mehr.

 

Das kann man gut finden und das kann man auch so organisieren. Das bedeutet aber für die Schweiz: Sehr viele journalistische Angebote, sehr viele Unterhaltungsangebote werden unwiderruflich verschwinden. Denn es ist nun wirklich eine Binsenwahrheit: Mit einem SRG-Angebot verdient man in der Schweiz kein Geld.

 

Die Produktion von qualitativ hochwertigen audiovisuellen Medieninhalten ist in einem Markt mit 8 Millionen Menschen und vier verschiedenen Sprachen unmöglich rentabel zu betreiben. Schon gar nicht, wenn auch Informations- und Hintergrundsendungen dazu gehören sollen, ganze Filmproduktionen, grosse Samstagabend-Shows.

 


Randbemerkung:

Viele mediale Angebote sind in der Schweiz nicht am Markt refinanzierbar. Das sagt nicht nur die SRG, das sagt jeder, der etwas versteht von der Branche. Jüngstes Beispiel: Der SRG-Konkurrent und private TV-Betreiber Dominik Kaiser (Sendergruppe 3+) im Fachmagazin «Schweizer Journalist»:

Dominik Kaiser 3+ zur Informationsleistung von SRF
Quelle: Schweizer Journalist, Ausgabe 10-11/2017
Dominik Kaiser 3+ zur Abschaffung der Billag-Gebühren
Quelle: Schweizer Journalist, Ausgabe 10-11/2017


 

Wer sich für den freien Medienmarkt ohne Gebühren in der Schweiz entscheidet, der muss wissen: Er entscheidet sich für ein stark reduziertes Medienangebot. Die SRG wird verschwinden (sie verliert auf einen Schlag rund drei Viertel ihrer Einnahmen) und mit ihr der grösste Teil des aktuellen Angebots: Aufwändige Unterhaltungsshows am TV, schön gestaltete Reportagen aus der Schweizer Heimat (z.B. die mit grossen Personal- und Zeitaufwand produzierten Sendungen mit dem wandernden Nik Hartmann), aufwändige Hintergrundsendungen am Radio (z.B. Sendungen wie Echo der Zeit oder Rendez-Vous, welche angewiesen sind auf ein breites Netz an Korrespondent/innen im In- und Ausland), Sendungen über Kultur oder Philosophie.

 

Vielleicht könnten private Medienunternehmen ihr Angebot etwas ausbauen, weil sie ein bisschen mehr Werbegelder zu ihren Sendern locken - da gibt es unterschiedliche Prognosen. Vielleicht bauen einige Verlage dann wirklich neue regionale, nationale und internationale Informations- und Hintergrundredaktionen auf, um das heutige Angebot der SRG adäquat zu ersetzen.

 

Ich habe allerdings sehr starke Zweifel... Newssendungen sind teuer, holen nur bedingt Quote und damit Werbeeinnahmen. Zudem gelten bei der SRG heute strenge Standards bezüglich journalistischer Unabhängigkeit, welche andere Verlage so wohl kaum einhalten wollten (es zumindest heute nicht tun, wenn sie z.B. klare politische Positionen vertreten in ihren Publikationen).

 

Also: Wir können die Gebühren abschaffen, den Markt spielen lassen. Dann verlieren wir Medienvielfalt und Medienqualität. Oder wir gestehen uns ein, dass der Markt in einem kleinen Land wie der Schweiz nicht alles regeln kann. Weil wir das aus vielen anderen Bereichen ja auch schon kennen.

 

Bauern sind wie Journalisten

Wäre die Schweizer Landwirtschaft ohne Subventionen (bezahlt aus unseren «Zwangssteuern») in ihrer heutigen Form lebensfähig? Wohl kaum. Weil die Strukturen zu kleinräumig sind und die ausländische Konkurrenz viel billiger produziert. Warum aber sind die Subventionen für die Landwirtschaft in weiten politischen Kreisen nahezu unbestritten?

 

Weil man es für wichtig hält, dass unsere Bauern unser Land pflegen. Schöne Weiden anlegen, qualitativ gutes Fleisch und einheimische Milch produzieren. Weil es offenbar breiter Konsens ist, dass die Landwirtschaft in ihrer heutigen Qualität erhalten bleiben soll und deshalb eine finanzielle Intervention - auf Kosten aller - gerechtfertigt sei.

 

Landwirte machen das Land schön. Kornfeld zwischen Aarau und Erlinsbach
Landwirtschaft macht das Land schön: Impression aus dem Raum Aarau (Maurice Velati)

 

Bei der Landwirtschaft gilt also: Auch wenn ich als einzelner Konsument meine Milch in Deutschland kaufe und mein Fleisch aus Ungarn, auch wenn ich selber nie über aufwändig gepflegte Alpweiden wandere oder ich persönlich gegenüber den strengeren Tierschutzvorschriften in der Schweiz völlig gleichgültig bin... über die Steuern bezahle ich trotzdem meinen finanziellen Beitrag zur Erhaltung der Schweizer Landwirtschaftsproduktion mit.

 

Die Mediengebühren sind eine finanzielle Intervention zur Erhaltung eines qualitativ hochstehenden und vielfältigen Journalismus in diesem viel zu kleinräumigen Land. Wir Journalisten arbeiten wie die Bauern in einem Markt, der in der Schweiz kein echter Markt ist.

 

Es geht um «Heimatschutz»

Nennen wir das Kind beim Namen: Die Schweiz betreibt «Heimatschutz», in der Landwirtschaft und im Medienbereich. Wir wollen als kleines Land nicht allein auf die Angebote aus dem internationalen Markt angewiesen sein.

 

Denn eine auf grosse Produktionsmengen ausgerichtete deutsche Wurstfabrik wird kaum Schweizer Fleisch verarbeiten, nur weil ein paar Schweizer Händler das gerne im Sortiment hätten. Und Netflix wird kaum je eine neue Staffel von «Bestatter» drehen, damit die paar Schweizer Kunden beim Krimi etwas Heimatgefühle entwickeln können. Ganz zu schweigen davon, dass ein gewinnorientierter Konzern teuren, unabhängigen Informationsjournalismus finanzieren sollte für die welsche Schweiz oder das Tessin.

 

Ja, wir betreiben Heimatschutz. Dieser kostet etwas und wird von allen finanziell mitgetragen. Jeder bezahlt Steuern für die Bauern, jeder bezahlt Gebühren für die Medienproduktion. Das ist die Logik hinter diesen «Zwangsgebühren». Bezahlen für die Erhaltung des Schweizer Angebots muss auch, wer sich ausschliesslich über private Onlinemedien informiert oder sich ausschliesslich von deutschem Privat-Fernsehen unterhalten lässt oder wer sich seine News nur bei internationalen sozialen Netzwerken holt - wo übrigens auch die SRG ihre Inhalte natürlich verteilt (deren Produktion ja wiederum etwas gekostet hatte).

 


Randbemerkung:

Die Mediengebühren in der Schweiz dienen auch dem nationalen Ausgleich zwischen den Sprachregionen. In der Deutschschweiz werden zwar am meisten Gebührengelder eingenommen, viel davon fliesst aber nicht zu SRF und anderen Sendern in diesem Gebiet, sondern zu den Sendern in der französischen, italienischen und rätoromanischen Schweiz. In diesen Regionen wären TV- und Radioangebote im freien Markt noch viel schwieriger zu realisieren als in der Deutschschweiz mit immerhin rund 5 Millionen potentiellen Kunden.

Karte der Schweiz und der Verteilung von Mediengebühren: Die Deutschschweiz nimmt mehr ein und gibt einen Teil an Westschweiz, Tessin und Rätoromanische Schweiz ab.
Quelle: SRG Deutschschweiz (srgd.ch)

 

Ich kann damit leben, wenn man Bauern wichtiger findet als Journalisten. Ich kann also damit leben, dass jemand die Erhaltung der nicht marktkonformen Landwirtschaftsproduktion wichtiger findet als die Erhaltung der nicht marktkonformen Medienproduktion in diesem Land. Ich kann damit leben, wenn jemand Heimatschutz nur für Wiesen, Felder und Ställe betreiben will, aber nicht für Nachrichten, Hintergründe und Unterhaltung. Das ist eine persönliche Abwägung, die je nach Perspektive anders ausfallen kann.

 

Unzählige weitere Beispiele

Aber es soll mir keiner sagen, die Mediengebühren seien die einzige Abgabe, welche alle bezahlen - ohne dass sie es explizit so gewollt haben und ohne dass sie selber ganz direkt davon profitieren. Solche Abgaben sind in einer solidarischen Gesellschaft normal.

 

Das gilt für die Sozialhilfe (alle bezahlen über die Steuern dafür, nicht alle brauchen die Leistungen), für den kommunalen Strassenbau (alle im Dorf bezahlen mit ihren Steuern die Sanierung einer einzelnen Dorfstrasse, von der aber nur wenige Anwohner direkt profitieren), sogar für die Krankenkassen und Versicherungen (alle bezahlen Prämien, auch wenn sie selber vielleicht ein Leben lang gesund bleiben und nie einen Schaden zu beklagen haben) und so weiter. Immer gilt: Man bezahlt für eine Leistung, die der Allgemeinheit zu Gute kommt - und die man, wenn man will, natürlich auch selber nutzen kann, aber nicht selber nutzen muss.

 


Randbemerkung:

Nicht nur die SRG erhält Gebührengelder: Ein (kleiner) Teil fliesst auch an private, regionale Sender mit Leistungsauftrag (Konzession). Bei diesen Sendern machen die Gebühren ebenfalls einen bedeutenden Teil der Einnahmen aus, in der Regel mehr als einen Drittel.

Das heisst: Auch die privaten TV-Sender mit regionalen Nachrichten könnten ohne Gebührengelder nicht oder kaum mehr existieren, auch die regionalen Radiosender in Randgebieten (z.B. im Wallis) wären gefährdet, für die alternativen Radiosender wie Kanal K steht ebenfalls sehr viel auf dem Spiel. Dort wird zum Beispiel viel in die Ausbildung von jungen Journalist/innen investiert (auch ich habe meine ersten Gehversuche beim Radio so unternommen) - das wäre in dieser Form kaum mehr möglich.

Karte der Schweiz mit 34 Sendern, die ebenfalls auf Gebühren angewiesen sind
Quelle: SRG Deutschschweiz (srgd.ch)

 

Natürlich: Man kann, man darf dieses grundsätzliche Solidaritätsprinzip in Frage stellen. Man darf, man kann sich dagegen wehren, man darf und kann es bewusst über Bord werfen. Und selbstverständlich kann man, darf man, ja soll man den konkreten Auftrag, den Umfang der Leistungen (für Bauern, aber auch für Journalisten bzw. Programme der SRG) in der Politik diskutieren, anpassen, an Bedingungen knüpfen etc. Natürlich soll man also über die Verwendung dieser «Zwangsabgaben»  intensiv debattieren. In der Landwirtschafts- und in der Medienpolitik.

 

Aber man sollte im Kampf gegen eine Mediengebühr nicht so tun, als ob diese Gebühr die einzige Solidaritätsabgabe in unserer Eidgenossenschaft sei. Und man soll vor allem nicht behaupten, dass die Abschaffung einer solchen Gebühr keine Folgen habe. Das wäre bei den Bauern so, das wäre bei den Journalisten so.

 

Ich danke allen Billag-Zahlenden dafür, dass sie meinen Beruf und meinen Beitrag zu einem journalistischen Produkt ermöglichen. In der Überzeugung, dass ich dem Land - wie ein Bauer auch - mit meiner Arbeit durchaus etwas zurück geben kann.

 


Disclaimer:

  • Dieser Artikel ist die ganz persönliche Ansicht des Autors. Er wurde aus persönlichem Antrieb und ohne Absprache mit Unternehmen oder Verein SRG verfasst und publiziert. 
  • Der Autor ist als Mitarbeiter der SRG selbstverständlich direkt vom Thema betroffen. Der Text ist deshalb kein journalistischer Text mit den üblicherweise von SRG-Journalisten angewandten Kriterien, sondern eine persönliche Meinungsäusserung.
  • Der Autor berichtet in seiner beruflichen Funktion bei der SRG nicht über die Kontroverse zur NoBillag-Initiative (er leitet die Regionalredaktion Aargau Solothurn von Radio SRF) und übrigens auch kaum je über landwirtschaftspolitische Kontroversen.
  • Selbstverständlich wurde dieser Text (und auch alle anderen Texte in diesem Blog) nicht während der Arbeitszeit, sondern in der Freizeit bzw. in den Ferien geschrieben. Diese Gedanken kosten die Gebührenzahlenden also nichts.

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Kommentare: 3
  • #1

    raskalnikow (Montag, 16 Oktober 2017 17:20)

    Meine Verortung:

    1. Ich finde die no-billag Sache toll, weil die SRF fundamental diskutiert wird.

    2. no-billag werde ich ablehnen (zu radikal)

    Meine Meinung:

    1. SRF von mir aus, aber nicht grenzenlos wachsend zu aufgezwungenen Fantasiepreisen.

    2. Medienkonsum ist KEIN Grundbedürfnis, ist also anders zu bewerten als Obdach, Nahrung, Kleidung. Es soll niemand so tun, als ob man an einem mangelnden Medienkonsum sterben würde. Diese Dinge sind - egal von der momentanen rechtlichen Bewertung! - nicht gleichwertig.

    2. RADIO + FERNSEHEN lautet der Auftrag, ok soweit? Wer kein entsprechendes Empfangsgerät besitzt, der soll auch nicht zahlen müssen. So einfach ist das.

    3. Die SRF breitet sich auf eigene Initiative ins Internet aus, die Billag hat versucht den PC-Besitz uns als Billagpflichtig unterzujubeln. Wer gratis Material ins Netz stellt ... der muss damit leben, dass es gratis konsumiert wird!

    4. Akzeptiert man die Präsenz von SRF im Netz (tue ich nicht! Finde ich wirklich eine Anmassung und Frechheit!), so ist völlig klar, dass man nur bezahlen soll, was auch konsumiert wird. Wie das zu erreichen ist, ist nicht mein Problem - aber technische Lösungen existieren: 1. etwa per Login zu einem geschützten Bereich oder 2. siehe Telefonanbieter, die verrechnen auch den exakten Konsum eines jeden Abonnenten (sage mir noch einer das sei nicht möglich...).

    5. Zum Programm: Mit Schweizer Steuergelder amerikanische Film- & Serienproduzenten zu fördern - das ist nur dreist und kein "Service Public".

    6. Zum Programm: Fussball und Tennis sind gerade DIE Sportarten die keine Förderung durch quasistaatliche Sender braucht. "Service Public" wäre hier wohl eher die Übertragung von Nischensportarten - DIESE würden im freien Markt ignoriert (und werden es heute auch von der SRF).

    7. Die Finanztransfers von der Mehrheits- zu den Minderheitssprachen sind abzufedern (dafür gibt es schliesslich schon den NFA). Eine gewisse Unterstützungsleistung ist unvermeidbar und in Ordnung, dafür müssen die Profiteure aber wenigstens höhere Gebühren zahlen als die Geber! Hat diese System auch nur an EINER Stelle etwas Fairness eingebaut?! Es ist unglaublich.

    8. Eine informative SRF mit einem Minimalprogramm und überschaubaren Budget (d.h. die Millionenbeträge bleiben im einstelligen Bereich) ist durchaus unterstützungswürdig.

  • #2

    raskalnikow (Montag, 16 Oktober 2017 17:37)

    9. Was soll dieser Scheiss: https://www.swissinfo.ch/ ? Die Schweiz hat 4 einheimische Sprachen - diese sind zu bedienen. Es ist doch eine unglaublich Frechheit hier auf unsere (aufgezwungene) Kosten in Fremdsprachen produziert wird. Das ist schlicht kein Auftrag für eine steuer- oder gebührenfinanzierte SRF.

  • #3

    Maurice Velati (Montag, 16 Oktober 2017 18:19)

    Lieber Kommentarschreiber raskalnikow

    Vielen Dank für die ausführliche Rückmeldung zum Blog. Ich lasse Ihre Meinung gerne hier stehen - möchte nur einige persönliche oder klärende Anmerkungen dazu machen.

    Ich teile Ihre Meinung, dass man über den Inhalt von "Service Public" diskutieren sollte. Das wird spätestens ab 2018 auch gemacht, wenn es um die Erarbeitung eines neuen Mediengesetzes geht bzw. um die Erneuerung der Konzession der SRG. Da wird die Politik ganz sicher noch viel zu diskutieren haben - und wie gesagt, das finde ich auch richtig so.

    Wer genau Gebühren bezahlen muss, das hat nicht die SRG, sondern die Politik zu entscheiden. Es ist leider ein weit verbreiteter Irrglaube, dass die SRG die Höhe und Art der Gebühr bestimmt. Nein, das entscheidet die Politik, konkret Bundesrat und Parlament bzw. Volk (letzte Änderung RTVG mit Haushaltsabgabe wurde in einer Abstimmung so beschlossen). Ich persönlich bin auch der Meinung, dass man diese Gebühren z.B. einkommensabhängig erheben könnte. Aber eben - ich und meine Arbeitgeberin SRG haben das nicht zu bestimmen.

    Das Problem mit dem "PC-Besitz" hat nichts mit dem Engagement der SRG im Internet zu tun, sondern schlicht mit der Tatsache, dass heute Radio- und TV-Empfang auch über solche Geräte möglich ist (unabhängig von Angeboten der SRG). Aber auch da gilt: Wir machen weder das Gesetz noch bestimmen wir über dessen Umsetzung, dafür ist die Firma Billag, ab nächstes Jahr die Firma Serafe bzw. das Bakom als Aufsichtsbehörde oder der Bundesrat als politische Behörde zuständig.

    Ob sich die SRG auch im Internet präsentieren darf, darüber kann man geteilter Meinung sein. Meines Erachtens ist klar, dass sie das muss. Denn ein öffentliches Medium ist nur dann ein öffentliches Medium, wenn es die Öffentlichkeit auch erreicht. Gerade junge Leute aber schauen kaum mehr TV und hören kaum mehr lineares Radio. Heisst: Wenn man "öffentlichen Journalismus" auch diesen Menschen zukommen lassen will, dann braucht es auch ein Angebot im Netz. Allerdings ist das auch nicht Thema der aktuellen Debatte, sondern wird im Rahmen des zu schaffenden Mediengesetzes sicherlich einer der Zankapfel werden.

    Zu Swissinfo ist noch zu sagen, dass dieses Angebot in der aktuellen Gesetzgebung durch das Bakom/Bundesrat ausdrücklich verlangt wird. Die SRG muss gemäss einer Leistungsvereinbarung Informationen liefern für Auslandschweizer/innen und zum "besseren Verständnis der Schweiz" in der Welt beitragen. Das wird gemacht mit der Zusammenarbeit mit den TV-Sendern 3sat und TV5 Monde sowie durch die mehrsprachigen Online-Angebote swissinfo.ch und tvsvizzera.it - diese Angebote werden nicht nur von Gebühren finanziert, sondern auch (zu 50 Prozent) durch direkte Bundesbeiträge aus dem Budget (ist alles detailliert nachzulesen unter https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/elektronische-medien/informationen-ueber-radio-und-fernsehveranstalter/srg-ssr/konzessionierung-und-technik-srg-ssr.html#328480956)

    Wie gesagt, was und wie viel von allem notwendig ist für die Schweizer Medienlandschaft, darüber kann und soll man streiten. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass ein relativ breites Angebot an öffentlicher Medienproduktion notwendig ist, weil - wie oben erwähnt - der Schweizer Markt nicht sehr viel hergibt an anderen Finanzierungsmöglichkeiten. Ganz klar ist aber aus meiner Sicht: Die nun zur Diskussion stehende Radikal"lösung" - nämlich Abschaffung aller Gebühren - würde den Tod der SRG und ihrer Angebote bedeuten... Man sollte jetzt deshalb nicht über das Ziel hinaus schiessen, sondern auf die - hoffentlich bald folgenden - echten inhaltlichen Debatten warten. Das sehen Sie ja offenbar auch so - und darüber bin ich sehr froh!

    Herzlich
    Maurice Velati